Nach dem Rücktritt Andrej Holms: Kampf dem Ausverkauf Berlins!

Von Wilhelm Schulz, REVOLUTION Berlin


Am Montag, dem 16. Januar 2017, ist Andrej Holm vom Posten des Berliner Staatssekretärs für Stadtentwicklung (also Bauen und Wohnen) zurückgetreten. Wenn wir es beim Namen nennen wollen, dann wurde er zurückgetreten. Seit mehreren Wochen gab es in Berlin und im Bundesgebiet eine mediale Schmutzkampagne gegen den Berliner Stadtsoziologen und Mieterbewegungsaktivisten.


Aufgeheizt hatte sich das Ganze aufgrund falscher Angaben die Holm 2005 in einem Personalfragebogen bei der Humboldt Universität zu Berlin bezüglich seiner Stasi-Mitgliedschaft in der Vergangenheit gemacht hat. Dieser soll als Jugendlicher nicht nur eine Ausbildung für die Staatssicherheit der DDR begonnen, sondern auch darüber hinaus dort gearbeitet haben. Diese bewusste Falschaussage wurde dabei medial in der Luft zerrissen. Hiergegen wurde eine Online-Petition aufgesetzt, die mittlerweile über 16.000 Unterstützer_Innen hat. Die Petition #holmbleibt schält hierbei das Problem raus in dem sie schreibt „Dr. Andrej Holm als neuer Staatssekretär steht nicht einer Auseinandersetzung über DDR-Repression im Weg, sondern dem Ausverkauf der Stadt.“(1) Vor wenigen Tagen forderte dann der regierende SPD-Bürger_Innenmeister Michael Müller öffentlich den Rücktritt Holms, gestützt dabei durch die Grünen und die Opposition von CDU, FDP und AfD (also alle bürgerlich-parlamentarischen Parteien im Schulterschluss mit der SPD). Lenin meinte dazu in einem vorhergehenden Interview: „Sage mir, wer Dich lobt, und ich sage Dir, worin Dein Fehler besteht.“ Mit diesem Schritt stellt sich die SPD eindeutig auf die Seite der Investor_Innen und die Privatisierung Berlins. Zwar haben die Koalitionspartner_Innen keinen direkten Einfluss auf die Mitarbeiter_Innen der jeweiligen Sekretärsämter, in der Drohung handelte es sich vielmehr um einen möglichen Bruch mit der Rot-Rot-Grünen-Koalition.


Ein im FAZ-Blog veröffentlichter Beitrag vom 8. Dezember bringt das Problem aus einem bürgerlichen Klassenstandpunk heraus auf den Punkt. Der Autor schreibt hierbei: „In meinen Augen ist dieser Kampf gegen die Gentrifizierung ein verkleideter Sozialismus, mit einem klaren Feindbild, dem Vermieter und Spekulanten, dem der Staat das Handwerk legen sollte.“ (FAZ-Blog, 8.12.16 (2)) Auch wenn es sich hierbei nicht um unseren Klassenstandpunkt handelt und wir den Einzug des Sozialismus nicht in der R2G-Koalition oder über einen parlamentarischen Weg sehen, trifft es den Punkt: Holm stand für eine Politik die die Interessen der Mieter_Innen vor die der Investor_Innen stellte. Er stand für eine Politik des sozialen Wohnungsbaus und gegen Mietsteigerungen. Eine Politik, die Berlin bitter nötig hat. So sind die Mieten in Berlin pro Quadratmeter im Durchschnitt um über 30% zwischen 2008 und 2013 angestiegen. Jährlich verlieren 8.000 Wohnungen den Status einer Sozialwohnung, während die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften laut ausgehandelten Koalitionsvertrag nur 3.000 neue Sozialwohnungen errichten sollen.


Das Problem dieser Knappheit ist in weiten Teilen auf den Ausverkauf der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften unter der rot-roten Regierung zwischen 2002 und 2011 zurückzuführen– so sind die Zahlen städtischer Wohnungen zwischen 2000 und 2007 von 397.000 auf 259.400 eingebrochen (3). Dies geschah auf Initiative des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin – heute nicht mehr so bekannt durch neoliberalen Ausverkauf, viel eher durch offenen Rassismus. Mit ihrer Krisenpolitik haben sie dabei deutlich gezeigt auf wessen Seite sie stehen, wenn es hart auf hart kommt, auf der des sozialen Kahlschlags, der die Immobilienspekulation, die Gentrifizierung, die Wohnungsarmut in Berlin erst geschaffen hat. Diese Frage steht nun nochmals deutlich im Raum.


Für uns geht es hierbei weniger um Holm. Er ist Sinnbild der kommenden Politik der R2G-Koalition. Der Berliner Linkspartei ist hierbei die Koalition an sich wichtiger als dessen Inhalt. Es ist die Linke, die einen relativ stillschweigenden Rücktritt Holms erzwungen hat. Mit Holm schneidet sich die Linkspartei ihr letztes linkes Feigenblatt vom Baum. Und entfernt sich um einen weiteren Schritt von sozialen Bewegungen wie der der Mieter_Innen. Es ist schade, dass auch Holm den Weg der Kapitulation gewählt hat. Unserer Meinung nach hätte der Kampf eine andere Richtung einschlagen sollen, nein!, er muss es immer noch. Die tausenden in Turnhallen lebenden Geflüchteten, die an den Stadtrand gedrängten immer ärmer werdenden Arbeiter_Innen und die steigenden Zahlen von Wohnungslosen zeigen auf, wohin der stillschweigende Abzug geht. Wir solidarisieren uns mit Holm! Er ist ein Sinnbild des Widerstandes des Ausverkaufs der Stadt. Doch dieses Bild muss praktisch werden. Was wir brauchen ist eine Mobilisierung der 16.000 Unterstützer_Innen (und darüber hinaus) getragen von Mieter_Inneninitiativen, Gewerkschaften und Organisationen der Linken, aber auch der Linkspartei zumindest jener Teile die sich dem entgegenstellen, ähnliches gilt auch der SPD. Im Mittelpunkt dessen muss die Forderung nach einem bedarfsdeckenden Neubau von kommunalen Sozialwohnungen unter der Kontrolle der Mieter_Innen und ihrer Organisationen stehen. Aber auch unmittelbare Wohnungsprobleme, in einem besonders krassen Maß im Winter(!), müssen durch die Enteignung von ungebrauchtem und leerstehendem Wohnraum, sowie Büroraum, beantwortet werden. In der Linkspartei unterstützen wir Forderungen, wie die der SAV, nach einem Sonderparteitag zur Frage des Verbleibs in der R2G-Koalition, zur Frage Holm und vor allem zur Wohnungsfrage in Berlin. Auch Tendenzen wie die Ausweitung der Überwachung aufgrund des tragischen Vorfalls am Breitscheidplatz vom 19. Dezember gilt es mit aller Härte abzuwehren. Auf der anderen Seite verdeutlicht dies nochmals, dass die Linkspartei, die eine gesellschaftliche Veränderung durch das Parlament und nicht durch eine Massenbewegungen gestützt auf die Unterdrückten und Ausgebeuteten dieser Gesellschaft anstrebt, kein Organ des Kampfes, sondern eines der Klassenversöhnung darstellt. Dessen Bürokratie beim ersten Gegenwind ihre Prinzipien über Bord wirft.


Hier Holms Rücktrittsschreiben: http://www.andrejholm.de/2017/01/16/erklaerung/


Quellen:
(1) – https://www.change.org/p/holmbleibt-f%C3%BCr-eine-andere-wohnungspolitik
(2) – http://blogs.faz.net/stuetzen/2016/12/08/linksruck-der-staatssekretaer-und-die-stasi-vergangenheit-7214/

(3) – http://www.bmgev.de/politik/wohnungspolitik/berliner-wohnungspolitik-die-rot-rote-koalition.html


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